Green Budgeting

Green Budgeting – Was ist das?

65 Milliarden Euro. So hoch war der Betrag der umweltschädlichen Subventionen im Haushaltsjahr 2018. Seitdem wurden zwar keine neueren Zahlen veröffentlicht. Im Zuge des „Tankrabatts“, der Steuersenkung für Erdgas und der Erhöhung der Pendlerpauschale im letzten Jahr dürfte diese Zahl aber nicht deutlich geschrumpft sein. Häufig werden von Kritikern und Kritikerinnen von mehr Klimaschutzmaßnahmen immer die damit verbundenen „Mehrkosten“ in die öffentliche Debatte eingeführt. Dabei erfordert mehr Klimaschutz nicht zwangsläufig auch mehr Ausgaben. Es reicht auch die Ausgaben an der richtigen Stelle zu reduzieren. Nämlich dort, wo sie dem Klima mehr schaden als sie ihm nützen.

Ein elementarer Ansatzpunkt für die, im Angesicht des Klimawandels notwendige gesamtgesellschaftliche Systemtransformation, sind die öffentlichen Haushalte und die staatlichen Finanzen. Durch verschiedene Instrumente wird versucht auf die Wirkungsmächtigkeit dieser einzuwirken, um diese einerseits auf die anstehenden Herausforderungen vorzubereiten und andererseits den Einfluss der Staatsfinanzen selbst für die Transformationsanstrengungen zu nutzen. Ein wichtiges Instrument dafür ist das sog. „Green Budgeting“.  

Green Budgeting bildet eine Unterart von Prioritätsbudgetierungen („Priority Budgeting“), bei denen die Instrumente öffentlicher Haushalte auf die Erreichung bestimmter Ziele ausgerichtet werden sollen. Der Begriff Green Budgeting erfasst dabei alle Maßnahmen innerhalb der Haushaltspolitik, die auf Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele ausgerichtet sind. Ein wichtiger Teil davon ist das sog. „Green Budget Tagging“. Inhaltlich handelt es sich hierbei um Begutachtungs- und Bewertungsvorgänge, welche zur Erfassung des Status quo gegenwärtiger Ausgaben dienen. Dabei variiert die genaue Ausgestaltung der Ansätze in erheblichen Maßen. Gemeinsam haben sie das Ziel die Kohärenz zwischen Fiskalpolitik und dem ausgegebenen Ziel, im Fall des Green Budgeting der Klimapolitik, zu erhöhen. Im Ergebnis soll also die Sichtbarkeit der Umwelt- und Klimauswirkungen von Staatseinnahmen und -ausgaben sowie deren Lenkungswirkung erhöht werden.

Ein erster großer Gehversuch in diesem Bereich waren die sog. „Rio-Marker“ Ende der 1990er Jahre. Diese wurden vom OECD-Komitee für Entwicklungshilfe eingeführt, um die Finanzströme der Vertragsstaaten der Rio-Konvention mit Blick auf die festgelegten Ziele im Bereich Biodiversität, Klimawandel und Versteppung zu überwachen und zu bewerten. 2010 führte die OECD einen vierten Marker für Klimawandeladaption ein. Dabei werden die Finanzströme im Bereich der klimabezogenen Entwicklungshilfe geprüft und in ein Punktesystem mit drei Werten eingeteilt und nach folgendem System markiert:

·Principal – Score 2: die gemeldeten Finanzströme sind hauptsächlich auf das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) ausgerichtet;

·Significant – Score 1: die gemeldeten Finanzströme sind wesentlich auf das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) als Hauptziel ausgerichtet;

·Not targeted - Score 0: die gemeldeten Finanzströme sind in keiner wesentlichen Art und Weise auf das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) ausgerichtet.

Quelle: OECD DAC RIO Markers for Climate Handbook, S. 6

Daran anschließend hat sich im Nachgang eine Vielzahl von Staaten auch innenpolitisch oder außenpolitisch durch völkerrechtliche Verträge dem Ziel des Green Budgeting verschrieben. Prominent, ist dabei Artikel 2.1c des Pariser Klimaschutzabkommens, der eine Konsistenz der nationalen Finanzströme mit dem gesellschaftlichen Weg zu niedrigen Treibhausgasemissionen und einer klimaresistenten Entwicklung fordert.

Diesem Ziel verschreibt sich mittlerweile auch die Europäische Union, die das Bewertungssystem der OECD Rio-Marker in vielen Fällen aufgreift, um die ihr vorgelegten Staatsausgaben der Mitgliedsstaaten entsprechend zu überwachen und zu bewerten. Bereits seit 2017 verpflichtet die Kommission die Mitgliedsländer durch die immer wieder überarbeitete EU-Verordnung 691/2011, Berichte zu staatlichen Umweltausgaben und Ausgaben für Ressourcenmanagement-Aktivitäten vorzulegen. Spätestens durch den EU Green Deal und die Corona-Konjunkturpakete sind in vielen Teilen der mehrjährigen Finanzrahmen der EU-Kommission rechtlich verbindliche Ziele für klimabezogene Ausgaben verankert. Die Einhaltung eben jener Mindestziele wird mithilfe der OECD Rio-Marker vorgenommen. Dabei werden die Ausgaben als Budgetposten entweder mit 100% (principal), 40% (significant) oder 0% (non targeting) gewichtet. Ergänzend wendet die EU für Haushaltsposten auch das sog. Do-no.significant-harm-Prinzip (DNSH) an, nachdem keine wirtschaftlichen Aktivitäten unterstützt oder durchgeführt werden sollen, die einem Umweltziel erheblichen Schaden zufügen. Im Rahmen des Green Budgeting Reference Framework der Europäischen Kommission soll eine schrittweise Weiterentwicklung von einer engen auf Klimaziele fokussierten ersten Version (Level 1) auf eine in Zielen und Bewertungsumfängen erweiterten Version (Level 2 und 3) erfolgen. 

Für den Erfolg einer solchen Weiterentwicklung und eine effiziente Umsetzung von Green Budgeting hat die OECD einen Rahmen mit vier Bestandteilen erarbeitet:

Quelle: Bär/Fischle/Bitomsky/Peiseler, Forum für Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, Green Budgeting – internationale Ansätze zur Umweltorientierung öffentlicher Finanzen, S.9

Neben diesen allgemeinen Voraussetzungen wird die Europäische Union aber in erster Linie auf die Umsetzung eines vergleichbar effektiven Green Budgeting-Konzepts auf mitgliedsstaatlicher Ebene angewiesen sein, mit denen diese die Kommissionsziele mindestens einhalten oder diese durch eigene nationale Ziele sogar übertreffen.

Green Budgeting in Deutschland

Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern, wie u.a. Italien oder auch Frankreich, hat Green Budgeting bislang nur vereinzelt den Weg in die deutsche Politik gefunden. Ein systematischer Ansatz zur Operationalisierung von Nachhaltigkeitszielen im Bundeshaushalt besteht nicht. 

Allerdings bestehen teilweise erhebliche Unterschiede zwischen der Bundes- und Länderebene sowie auch zu und unter den Kommunen. Als Vorzeigebeispiel für die Verknüpfung von Haushalt und Nachhaltigkeitszielen auf kommunaler Ebene dient die Stadt Freiburg im Breisgau, welche im Jahr 2015 erstmals einen Nachhaltigkeitshaushalt einführte. In ähnlicher Weise haben die Städte Köln, Bonn, Lüdenscheid und Jüchen ebenfalls feste Nachhaltigkeitsziele im kommunalen Haushalt festgeschrieben.

Im Gegensatz dazu mangelt es auf Bundesebene noch an einer systematischen Integrierung von Nachhaltigkeitszielen in den Haushalt. Folglich zählt die OECD Deutschland auch nicht zu den Mitgliedstaaten, die eine Form des Green Budgetings ausüben.

Dabei gibt es eine Reihe von bereits bestehenden Instrumenten und Datenerhebungen, sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht, die sich in ein gezieltes und alle Finanzströme umfassendes Green Budgeting integrieren lassen könnten.

Zu den qualitativen Berichten gehören die Spending Reviews des Bundesfinanzministeriums, welche die Wirksamkeit und Zielgenauigkeit öffentlicher Finanzen überprüfen und 1-2 pro Haushaltsjahr erscheinen. Hinzukommen der Sonderbericht des Bundesrechnungshofs zur Steuerung des Klimaschutzes (2020) und ein Bericht des Sustainable Finance Beirats. Im Gegensatz zu den Spending Reviews handelt es sich bei beiden allerdings um einmalige Berichte.

Deutlich weitläufiger ist das Feld bei den quantitativen Erhebungen. Es gibt u.a. die Positivliste der Bundesregierung zu „Ausgaben der Bundesressorts für den Umweltschutz und für Maßnahmen mit umweltverbessernder Wirkung“, das grüne Buch des Bundesumweltamtes, einen Subventionsbericht der Bundesregierung, eine „Negativliste“ des Bundesumweltamtes zu umweltschädlichen Subventionen sowie ein Bericht des statistischen Bundesamtes zu Umweltschutzausgaben der Bundesregierung, Unternehmen und privaten Haushalten.

Trotz dieser weitreichenden Erhebungen lassen Sie sich aus den Berichten nur bedingt Rückschlüsse ziehen. Zum einen werden Sie alle von unterschiedlichen Akteuren durchgeführt, zum anderen mangelt es noch an einem einheitlichen Wirken der Akteure untereinander sowie an Kohärenz zwischen den Erhebungen. So lassen die einzelnen Erhebungen zwar individuell gewisse Schlussfolgerungen zu, ein Gesamtbild über den Stand der Nachhaltigkeitszielsetzungen im Bundeshaushalt ergibt sich daraus aber nicht.

Dabei wären eine bessere Abstimmung und eine systematischere Erhebung der Ein- und Ausgaben aus mehreren Gründen sinnvoll. Es würde mehr Transparenz schaffen und Außenstehenden ermöglichen den aktuellen Fortschritt in Richtung Klimaneutralität in der Fiskalpolitik besser zu verfolgen. Außerdem könnten so die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen effektiver eingesetzt werden. Das wäre auch mit Blick auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen von Deutschland aus Artikel 2 Abs. 1 lit. C des Pariser Klimaabkommens (2015) zweckmäßig. Um das Vorhaben, die Finanzmittelflüsse des Staates mit einer emissionsarmen und klimafreundlichen Entwicklung in Einklang zu bringen, für die Finanzverwaltung beherrschbar zu machen, ist eine vollständige Übersicht der Finanzströme und Operationalisierung von Nachhaltigkeitszielsetzungen im Haushalt unabdinglich. Das würde zudem den Vorgaben des momentanen Koalitionsvertrages entsprechen, der für alle Ausgaben eine „strikte Neupriorisierung am Maßstab der Zielsetzungen“ vorsieht.

Dass Green Budgeting auch in Deutschland umsetzbar ist, zeigt neben den einzelnen Beispielen auf kommunaler Ebene auch der deutsche Aufbau- und Resilienzplan. Die Vereinbarung setzt voraus, dass 37% der den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehenden Mittel für den Klimaschutz ausgegeben werden. Die Messung erfolgt anhand der Rio-Marker. Laut eigenen Angaben hat die Bundesregierung dieses Ziel mit Klimaschutzausgaben i.H.v. 40% leicht übertroffen. Green Budgeting wird also auch unabhängig von konkreten Haushaltsreformen zukünftig in Deutschland als Instrument der Fiskalpolitik immer stärker zur Geltung kommen.

Wege in die Zukunft

Trotz der in den letzten Jahren gemachten Fortschritte stehen die Europäische Union und insbesondere auch Deutschland noch vor zahlreichen ungelösten Fragen, um Fiskal- und Klimapolitik wirklich kohärent zu gestalten und miteinander zu verbinden. Auf deutscher Ebene stellt sich zuvorderst das Problem der Zuständigkeit. Momentan gibt es viele Akteure, die sich vereinzelt im Rahmen ihrer Aufgabenbereiche auch mit Klima- und Umweltwirkung staatlicher Geldflüsse auseinandersetzen. Eine klare Zuständigkeitsverteilung besteht aber nicht, noch sind die einzelnen Erhebungen aufeinander abgestimmt, so dass die einzelnen Ergebnisse zusammen wenig Aussagekraft haben. Eine Bündelung der Kompetenzen beim Bundesfinanzministerium oder beim Bundesumweltministerium oder die Zuständigkeitsverteilung auf die jeweiligen Ministerien, allerdings unter Anwendung einer einheitlichen Methodik, erscheint sinnvoll. Ferner sollte eine Erhebung der Umweltwirkung staatlicher Finanzströme sowohl vor als auch nach der Aufstellung des Haushalts vorgenommen werden, um sowohl ex-ante den aktuellen Haushalt mit beeinflussen zu können als auch ex-post die vorherigen Ergebnisse zu präzisieren.

Als Vorbild für diesen Transformationsprozess dient Italien. Dort werden unter Federführung des Finanzministeriums in Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium systematisch seit 2000 kontinuierlich jedes Jahr sowohl die staatlichen Ausgaben des vergangenen Jahres ex-post analysiert als auch ex-ante Einschätzungen für die kommenden Jahre getroffen. So entsteht ein transparentes Bild, dass dabei hilft politische Entscheidungen sichtbarer zu machen und Kursänderungen ermöglicht. Ähnliche Ansätze gibt es auch in Frankreich. Positive Beispiele gibt es also genug und es stehen eine Vielzahl verschiedener Ansätze zur Verfügung. Für Deutschland wird es darauf ankommen aus den bereits vorhandenen Ansätzen zu lernen und diese auf die Besonderheiten seiner Haushaltspolitik anzupassen.

„Der Weg ist das Ziel“ – zwar hat dieses alte Sprichwort von Konfuzius auch in diesem Fall seine Berechtigung. Mit Blick auf die Auswirkungen der Klimakrise dürfte es aber nicht schaden, wenn das Ziel ausnahmsweise etwas früher erreicht wird.

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Der rechtfertigende Notstand im Kontext von Klimaschutz-Straftaten: Eine juristische Analyse

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Klagemöglichkeiten für Umweltverbände