Volksentscheid: Definition, Ablauf und Voraussetzungen

Fridays for Future Hamburg wird ab Januar 2024 Unterschriften für die Volksinitiative „Hamburger Zukunftsenscheid“sammeln.[1] Auch in Berlin gab es bis Anfang des Jahres den Volksentscheid Berlin 2030 klimaneutral über einen Gesetzentwurf zur Änderung des Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetzes. Doch was genau ist eigentlich ein Volksentscheid? Und wo liegt der Unterschied zwischen Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid? Wie läuft das Ganze ab und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Auf Bundesebene sind Volksentscheide nur für wenige Fälle vorgesehen, sie werden häufiger in den Bundesländern durchgeführt. Der Volksentscheid auf Landesebene ist in den Landesverfassungen geregelt, es gibt daher von Bundesland zu Bundesland Unterschiede. Aus aktuellem Anlass wird hier der Volksentscheid in Hamburg betrachtet.

Wie der Name vermuten lässt, geht es bei einem Volksentscheid darum, dass das Volk über eine Fragestellung direkt demokratisch entscheidet. Gegenstand der Abstimmung können gem. Art. 50 I 1 HmbVerf der Erlass, die Änderung oder die Aufhebung eines Gesetzes sein, aber auch andere Gegenstände der politischen Willensbildung (andere Vorlage). Für einige Bereich ist ein Volksentscheid allerdings ausgeschlossen, z.B. für Haushaltspläne. Bei Streitigkeiten darüber, ob der vorgelegte Gesetzesentwurf sich innerhalb dieser Grenze hält, entscheidet nach  § 26 Abs. 1 VAbstG das Hamburgische Verfassungsgericht. Eine Entscheidung kann vom Senat, der Bürgerschaft oder einem Fünftel der Abgeordneten der Bürgerschaft beantragt werden. Das Gericht entscheidet außerdem, ob der Gesetzesentwurf mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Hier ist insbesondere wichtig, dass der Entwurf klar und deutlich formuliert ist (Normenklarheit), sodass die vom Gesetz Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten daran ausrichten können.[2] Außerdem muss der Gesetzesentwurf begründet werden (Begründungspflicht). Eine Begründung soll gem. § 43 GGO u.a. Angaben dazu enthalten, warum das Gesetz notwendig ist, welche Ziele mit ihm verfolgt werden, ob es mit anderen internationalen Regelungen wie EU-Recht und Völkerrecht vereinbar ist und welche Folgen des Gesetzes absehbar sind. Bei Volksbegehren besteht außerdem ein Koppelungsverbot, d.h. zwei sachlich und inhaltlich nicht unmittelbar zusammengehörender Materien dürfen nicht gemeinsam zur Abstimmung gestellt werden.[3] Grund dafür ist, dass bei einem Volksbegehren nur mit „ja“ oder „nein“ gestimmt werden kann und es sonst zu Verfälschungen des Abstimmungswillens und der Erschleichung eines bestimmten Abstimmungsergebnisses kommen könnte.

Der Volksentscheid ist die letzte Stufe in einem dreigliedrigen Verfahren, welches in Art. 50 HmbVerf geregelt ist.[4]Der erste Schritt ist die Volksinitiative. Hier müssen zunächst mind. 10.000 Unterschriften von Wahlberechtigten zur Bürgerschaftswahl gesammelt werden. Der Beginn der Unterschriftensammlung muss dem Senat angezeigt werden. Danach haben die initiierenden Personen 6 Monate Zeit, um die Unterschriften zu sammeln. Die Unterschriften werden am Ende dem Senat übergeben, der die Bürgerschaft über das Zustandekommen der Volksinitiative informiert. Die Bürgerschaft befasst sich anschließend mit dem Anliegen der Volksinitiative. Wird das Gesetz verabschiedet bzw. ein der Vorlage entsprechender Beschluss gefasst, wurde das Ziel der Volksinitiative bereits auf der ersten Verfahrensstufe erreicht und die beiden weiteren Schritte sind nicht mehr nötig.

Wird das Gesetz nicht verabschiedet bzw. kein entsprechender Beschluss gefasst, kommt es auf Antrag der Initiierenden zum Volksbegehren. Es besteht zunächst die Möglichkeit, den eingebrachten Gesetzentwurf oder die Vorlage zu überarbeiten und anzupassen. Anschließend werden wieder Unterschriften gesammelt, dieses Mal nicht nur durch die Initiierenden, sondern auch durch den Senat. Das Volksbegehren ist zustande gekommen, wenn es von mindestens einem Zwanzigstel der Wahlberechtigten zur Bürgerschaftswahl unterstützt wird. Die Bürgerschaft befasst sich anschließend erneut mit dem eingereichten Anliegen. Wie bei der Volksinitiative kann es auch hier sein, dass das Ziel erreicht wird und es gar nicht mehr zu einem Volksentscheid kommt.

Ist das nicht der Fall, können die Initiierenden die Durchführung eines Volksentscheids beantragen. Der Gesetzesentwurf oder die Vorlage können erneut überarbeitet werden. Der Volksentscheid findet am Tag der nächsten Wahl zur Bürgerschaft oder zum Deutschen Bundestag statt. In bestimmten Fällen ist es auch möglich, dass der Volksentscheid an einem anderen Sonntag stattfindet. Stimmberechtigt sind alle Wahlberechtigten zur Bürgerschaft am Abstimmungstag. Der Volksentscheid ist erfolgreich, wenn die Mehrheit mit „ja“ gestimmt hat und ein bestimmtes Quorum erreicht wurde. Das erforderliche Quorum wird danach bestimmt, an welchem Tag die Abstimmung stattgefunden hat: mit der Wahl zur Bürgerschaft oder zum Bundestag ist eine Mehrheit der Stimmen erforderlich, die in Hamburg bei der jeweiligen Parlamentswahl abgeben werden durften; ansonsten muss mindestens ein Fünftel der Wahlberechtigten für den Volksentscheid stimmen. Nach einem erfolgreichen Volksentscheid über ein Gesetz wird dieses innerhalb eines Monats durch den Senat ausgefertigt und tritt nach Ablauf von mindestens drei Monaten nach der Verkündung in Kraft.

Eine Recherche von: Lina Ebbecke, Luca Haspinger, Charlotte Jawurek, Martha Lucke, Luisa Raupach, Nabila Rehbein, Phillip Wessolowski, Janne Wollnik

[1] Infos dazu unter: https://zukunftsentscheid-hamburg.de/.

[2] HVerfG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 4/20, Volksbegehren zur Streichung der Schuldenbremse, S. 18.

[3] HVerfG, Urteil vom 13. Oktober 2016 – 2/16, Entscheidung zum Volksbegehren „Rettet den Volksentscheid“, 3. Leitsatz.

[4]Einen Überblick über das Verfahren findet man auch in: Landeszentrale für politische Bildung Hamburg (Hrsg.), Einblicke – Hamburgs Verfassung und politischer Alltag leicht gemacht, 10. Aufl., Hamburg 2021, S. 43-44.
Zum Download verfügbar unter: https://www.hamburg.de/eigenpublikationen.

📸 Foto von Arnaud Jaegers auf Unsplash

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